Montag, 5. November 2012

Frühwinter

Es kommt immer eine Zeit, bei der die Bäume ihre Blätter fallen lassen,
bei der die Dunkelheit länger herrscht als das Tageslicht und
die Kälte sich in unserer Welt ausdehnt.

Es kommt immer eine Zeit, bei der alles stehen und liegen gelassen wird,
bei der man lacht und gleichzeitig schweigt während die Sonne sich hinter
grauen Wolken versteckt.

Es kommt immer eine Zeit, bei der sich unsere Wege treffen,
bei der wir in die Leere treten und zusammenzucken.
Bei der jeder seinen eigenen Weg weitergeht, ohne sich zu verabschieden.

Manchmal scheint es so, als hätte es die Zeit eilig. Manche Sachen kommen zu früh an, manche zu spät und das passiert leider überrschaschend.
Diese Überraschung hat immer den gleichen Prozess: Man vertraut- man liebt- man wird enttäuscht- man fühlt sich verzerrt.

Vertrauen beginnt mit einer leichten Wärme. Vertrauen ist wie der Frühling. Die Kälte spürt man noch, doch sie wird langsam vergessen. Sobald das schöne Gefühl bei jedem Menschen angekommen ist, spielt der Nachtigall sein Lied und die Natur blüht auf. Man wartet auf das Blütenfest. Man wartet auf die ersten Knospen.
Die Sonne zeigt ihren Glanz und versucht uns mit ihrer Licht zu blenden.
Vertrauen ist das schöne Grün, wenn der letzte Schnee weggetaut ist.
Auch die Seele taut auf.
Ich habe gelernt zu vertrauen, denn mir gefiel dieses wunderbare Gefühl. Das Gefühl schweben zu können, obwohl man weisst, dass man es nicht tut. Doch ich fühle mich unglaublich leicht und mein Vertrauen wurde grösser und grösser.

Liebe beginnt mit der Hitze. Liebe ist wie der Sommer. Flammend heiss, weil die Sonne immer am höchsten steht. Der Himmel neigt sich milde und man lächelt der Person, die man liebt und vertraut, an. Wenn die Luft durch die Felder geht, der Baum sein Kleid wechselt, der Garten nach Sonnenblumen und Honig duftet. Ich dachte, diese Liebe sei wertvoll und stabil. Liebe gibt Sicherheit. Und ich fühlte mich sicher. Sicher und geborgen, weil ich überall hingehen konnte, ohne verletzt zu werden.

Enttäuschung beginnt mit einem Fallen. Enttäuschung ist wie der Herbst. Der kalte Wind weht durch das Land, der Nebel umhüllt den Körper, das Herz wie von Tau benetzt. Die Blätter fallen von Bäumen, während der blasse Mond am Himmel steht und mich beleuchtet. Wenn die Luft nach Erde riecht und weithin das Grau dämmert, tiefe Schatten den Boden zieren, die Seele wie verschollen ist. Ich wurde enttäuscht und verletzt. Ich habe  zu viel erwartet und wurde abhängig von Liebe. Ich habe mich danach gesehnt, aber habe den falschen Weg gewählt. Es herrscht Krieg in meinem Kopf und ich kann nicht mehr klar denken. Ich fiel wie ein Blatt, das im Herbst nur ganz schwach und schwer an einem Ast hängt.

Sich verzerrt fühlen, beginnt mit der Kälte. Sich verzerrt fühlen ist wie der Winter. Verschwunden ist das goldene Gestalt. Nass und kalt ist der Boden unter den Füssen. Das Herz, welches heimlich geloht und gebrennt hat, steht still. Der Winter schürt die Seele. Schneeverhangen liegt sie in stillem Traum, während das ganze Land silber erscheint und der See seine Haut bekommt. Ganz dünn liegt der zerbrechliche Körper auf eine Eisschicht. Furchtbar kalt und eisig. Gefrorene Tränen fallen von den Wangen ab. Erstarrt wie kühler Morgentau. Die Quelle dringt hinein. Finster und klamm ist die Seele nun aus Eis. Hat es sich gelohnt, darüber nachzudenken? Was sollte lohnen können, wenn der Winter einen vernichtet. Vollkommen ausgetilgt aus der Welt.

Ein Moment, bei dem man sich fragt, ob wir tatsächlich alle die gleiche Weltkarte besitzen. Bei dem man sich fragt, ob der Mond am Himmel, der Gleiche ist, der auch um die anderen Menschen gravitiert. Bei dem man sich fragt, ob bei den anderen die Jahreszeiten dezent entgehen als bei uns.

Als ich die Augen öffne und bemerke, wie die Wärme aus meinen Händen entgleitet, das Lodernde erlöscht und die weissen Flocken sachte auf mich herabfallen, wird mir klar, dass ich mich verzerrt fühle- Die Sonne wird kalt. Es fängt an zu schneien. Nur mit Mühe versuche ich mir zu sagen, dass es tatsächlich wahr ist. Zwischen uns herrscht der Frühwinter..




Geschrieben von A.C